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Sonntag, 19. Februar 2012

(26) Hokus Pokus im lustigen Schmugglerbus

Batumi. Awtowoksal
Abreise vom chaotischen Busbahnhof, wo wir um 8 Uhr ankommen, also eine Stunde, bevor der angeblich große, klimatisierte Bus der Gesellschaft mit dem viel versprechenden Namen Lüks Karadeniz nach Trabzon abfahren soll. Der Bus ist zwar nicht sehr groß, sieht aber auf den ersten Blick ganz gut aus. Im Büro von Lüks K. hängt der heilige Giorgi einträchtig neben einem riesigen Atatürk-Poster. Man spricht türkisch und georgisch – wer was und nach welchem Prinzip, bleibt allerdings rätselhaft.
Rätselhaftes Innenleben eines Busbahnhofs

Zigaretten werden zahlreich gekauft und verkauft, etwas Brauchbares zum Frühstücken ist dagegen unauffindbar. Kaffee in einer filmreifen altmodisch aus der Zeit gefallenen, angegammelten und gleichzeitig doch irgendwie sauberen Essstube zwischen zahlreichen Marschrutka-Fahrern, die hier ihre morgendliche Suppe schlürfen.

Der Busbahnhof von innen: ein halb zerfallenes – oder halb fertig gebautes? – leeres Gehäuse, unten Schutt, oben eine Art Möbellager, teilweise offen, wie ein Parkhaus. Die anscheinend einzige Toilette im Obergeschoss erscheint mir allerdings, trotz einiger Abhärtung, unbenutzbar. Ich setze auf den ersten mutmaßlichen Stop in Hopa, der jedoch nicht kommen soll ...

Letzte Tankstelle vor der Grenze
Um kurz vor 9 sammelt sich eine kleine Schar von Mitfahrern vor dem Bus, der von einem hektischen dünnen Georgier bis in die letzten nicht einsehbaren Winkel mit Zigaretten ausgestopft wird. Um halb 10 endlich Abfahrt, türkische Musik dudelt, der Fahrer zählt auf türkisch „dokus ... on dokus ...“, was die Georgier als „Hokus Pokus“ interpretieren – allgemeines Gelächter. Währenddessen geht die Zigarettenversteckaktion weiter, der hektische Georgier hat noch nicht alle Ecken des Busses mit georgischen Zigaretten ausgefüllt. Immer wieder packt er um, stopft Tüten in die Ablagen, andere Tüten und Rucksäcke und Handtaschen und Jacken vor die Zigarettentüten, er rennt von vorn nach hinten und wieder zurück, die Aktion nimmt kein Ende. Alle – außer einem Franzosen und uns – scheinen in die Schmuggelaktion eingeweiht bzw. daran beteiligt. Kurz vor der Grenze wird der Bus noch vollgetankt, wozu er in eine spektakuläre Schräglage gebracht wird, damit auch der letzte Tropfen noch reingeht. An der Tankstelle, die von flanierenden Kühen und Scharen von Straßenhunden bevölkert ist, werden zahlreiche Zigaretten geraucht. Der dünne Georgier will uns noch zwei Stangen unterjubeln – "Problem yok!" –, aber da wir selbst welche dabei haben, lehnen wir ab, man muss ja nicht alles mitmachen ... Dann rückt die Grenze unaufhaltsam näher, die Küste wird sehr schmal, die Berge direkt am Meer. Der Busfahrer und der Georgier werden immer nervöser, bis zur letzten Sekunde geht das große Umpacken und Verstecken weiter.

Schließlich an der Grenze: Nach kurzer Passkontrolle, georgisch und türkisch, wird jedes Gepäckstück einzeln durchleuchtet, ganze Säcke mit Bohnen, Kartoffeln, kistenweise Tomaten und Gurken fahren durch die Röntgenmaschine. Der Busfahrer organisiert die Aktion, zwischendurch rennt er weg, das Ganze in großer Hektik und Nervosität, schließlich verschwindet er mit dem ganzen Bus im Röntgenkontrollgebäude. Alles zusammen dauert 1 bis 1 ½ Stunden, alle anderen Busse scheinen ohne große Kontrollen dieser Art durchzufahren. Aber – das Wunder und der nachfolgende Jubel der kleinen Schmugglerbande ist groß – anscheinend bleiben die Zigarettenmengen unbeachtet, und endlich kann man die Grenzstation verlassen. Geschafft, denken wir. Nur seltsam, dass wir Hopa passieren, ohne zu stoppen und der Bus kurz vor Rize in einem kleinen Ort zum Busbahnhof fährt. Alle steigen aus, der Bus fährt mit den Schmuggelprotagonisten weg, nachdem zuvor diverse schwarze Tüten bei kleinen Läden an der Straße abgegeben wurden.

Unsere Fahrt soll um 12 Uhr türkischer Zeit weitergehen, wir sind schon vier Stunden unterwegs, sollten eigentlich längst in Trabzon sein ... Dann kommt ein diesmal wirklich großer Bus – mit Fernsehen, Musik, Video und Getränkeservice, so dass man einigermaßen zivil nach Trabzon weiterfährt, wo wir tatsächlich irgendwann ankommen und gegenüber dem Busbahnhof aussteigen.